„Mein Mann und ich waren keine Widerstandskämpfer, wir haben aber auch nicht alles widerspruchslos hingenommen“ – DDR-Zeitzeugin Brigitte Polley berichtet am Friedrich-Abel-Gymnasium von ihrem Alltag im Arbeiter- und Bauernstaat
Geschichte aus erster Hand erfuhren am letzten Montag die Schülerinnen und Schüler der Geschichte-Leistungskurse des FAG. Frau Polley aus Sersheim berichtete über ihr Leben in der DDR und gab dabei verschiedene Einblicke in den Alltag der Deutschen Demokratischen Republik.
Der Kontakt zu Frau Brigitte Polley kam über die FAG-Weihnachtsbriefaktion zustande, die beiden Leistungskurslehrer Frau Sarah Wolf und Herr Benjamin Walf nahmen das Angebot der pensionierten Lehrerin, den Schülerinnen und Schülern über ihr Leben in der DDR erzählen zu wollen, dankend an. Es ist eben doch etwas anderes, Geschichte von den Betroffenen selbst zu erfahren, als diese nur im Geschichtsbuch nachzulesen. Und die Geschichte von Frau Polley hat es in sich: Sie erlebte die Geschichte der DDR von der Staatsgründung bis zum Mauerfall mit und konnte daher viele Episoden aus dem Alltag berichten. Besonders eindrücklich schilderte sie ihre Zeit als Lehrerin. Der DDR-Staat griff dabei auch unmittelbar in das Leben der Schülerinnen und Schüler ein. Als beispielsweise die Eltern eines Schulkindes von Frau Polley die Republikflucht versuchten, sollte sie als Lehrerin – wie damals in der DDR üblich – als Anklägerin gegen diese Eltern auftreten. Mit viel Geschick konnte Frau Polley dies abwenden, aber gerade Erinnerungen wie diese gaben den Schülern einen lebendigen Einblick in die zermürbenden psychologischen Methoden des Systems, jemanden als inoffiziellen Mitarbeiter für die Staatssicherheit gewinnen zu wollen. Dass ausgiebig Westfernsehen geschaut wurde, überraschte dann doch den ein oder anderen Schüler. Mit ihrer fröhlichen Art schilderte Frau Polley weitere Situationen des täglichen Lebens wie beispielsweise die VorgängeBrig im Intershop, beim Hausbau oder in der Kinderkrippe. Der Überwachungsstaat wurde in den Erzählungen immer wieder deutlich, etwa bei dem Bericht über einen inoffiziellen Mitarbeiter im Freundeskreis. „Man kann sich solche Geschichten gar nicht ausdenken, wenn man sie nicht selbst erlebt hat“, resümierte Brigitte Polley, die auch mehrere Bücher geschrieben hat.
Am Ende der Ausführungen waren nicht nur die Schüler am Friedrich-Abel-Gymnasium bereichert, sondern auch Frau Polley, die angab, dass die Befassung mit dem Thema auch für sie ein Befreiungsschlag gewesen sei. Nach diesem Zeitzeugengespräch war jedem Zuhörer klar, welch hohes Gut die Freiheit ist.