Von Belohnungsaufschub, Handy-Garagen und Sendeschluss
Sabine Ostertag, Präventionsbeauftrage am ZSL Stuttgart, informierte am Dienstag dem 21. Januar in der Peterskirche in Vaihingen über die Auswirkungen von digitalen Medien und Smartphones auf Kinder. Die Veranstaltung war eine Kooperationsveranstaltung der Vaihinger Schulen und die erste aus einer Vortragsreihe für Eltern, innerhalb derer noch drei weitere Vorträge folgen sollen: "Wie kann mein Kind sein Lernen organisieren" noch in diesem Jahr und für 2026 sind zwei Vorträge mit den Titeln „Welche sozialen Kompetenzen braucht mein Kind?" und "Was mein Kind über Social Media wissen sollte" vorgesehen. Nach einleitenden Worten von Frau Dausend vom Friedrich-Abel-Gymnasium und Frau Pickert, die die Schloßbergschule vertrat, konnte der erste Vortrag der Reihe beginnen. Er beschäftigte sich mit der zunehmend wichtiger werdenden Frage, wie viel Smartphone ein Kind braucht.
Wie in vielen anderen Bereichen auch, spielt die Vorbildwirkung der Eltern im Rahmen der Smartphone-Nutzung eine besondere Rolle, laut Ostertag sollten sich Erziehungsberechtigte eigenen Reflexionen unterziehen und ihr persönliches Verhalten hinterfragen. Die Nutzung des Smartphones hat – wenig überraschend – vielfältige Auswirkungen auf die Sprache von Kindern. In diesem Zusammenhang würden die Einflüsse von Künstlicher Intelligenz und so genannter intelligenter. persönlicher Assistenten wie „Siri“ unterschätzt. Sogar neue Krankheitsbilder ließen sich laut der Referentin erkennen, beispielsweise die „NoMo-Phobie“ (No-Mobile-Phobie), die körperliche Auswirkungen auf Betroffene haben.
Laut Sabine Ostertag würden sich viele Eltern die Frage stellen, ab wann ein Smartphone für das eigene Kind sinnvoll wäre. Aber darauf gebe es keine pauschalen Antworten, eine Orientierung an den Inhalten, die für die Kinder nutzbar seien und auch sein sollten, biete eine Perspektive, um zu entscheiden. Trotzdem sollten die Folgen für die Kinder nicht übersehen werden: Ostertag nennt den Verlust des Haptischen, fehlende Selbstregulation, wenn der „Sendeschluss“ von außen fehle und die massive Reiz- und Impulsüberflutung als Konsequenzen intensiver Handynutzung. Das Dopamin stehe geradezu schon in Erwartungshaltung, ganz nach dem Motto: „Jeder Klick ein KicK“. Selbst vermeintlich unerwünschte Dinge wie Langeweile hätten eine Qualität für Kinder und würden vor dem digitalen Dauer-Störfeuer schützen.
Ebenso beobachte man zusehends, dass Eltern die Handys zur Kontrolle ihrer Kinder einsetzten, es gebe ihnen Sicherheit und sei – gerade in Bezug auf Smart Watches – für Eltern eine Möglichkeit, sich selbst zu beruhigen. Aber genau darin liege ein großes Problem, denn Eltern würden laut Ostertag ihren Kindern ohnehin zu viel abnehmen, sich um zu vieles kümmern, das in Teilen auch von ihrem Nachwuchs übernommen werden könnte. Es ginge darum, wieder Vertrauen ins Kind zu haben, den Kindern Resilienz beizubringen: Lehren, um Hilfe bitten, innere Sicherheit entwickeln lassen, klare Regeln vermitteln. Auch der Bedeutung des Belohnungsaufschubes kommt eine wichtige Rolle zu. Kinder müssten (wieder) warten lernen, Impulse kontrollieren und zur Ruhe finden. Regelmäßige Nutzung des Handys führe – wie alle regelmäßig ausgeführten Tätigkeiten – zu einer Automatisierung, sie laufe also irgendwann über unbewusste Prozesse, die es zu vermeiden gelte.
Frau Ostertag plädiert dafür, den Handygebrauch des Kindes zu begleiten, klare Regeln dafür zu kommunizieren und beispielsweise feste Nutzungszeiten vorzugeben. Dabei soll den Kindern die Möglichkeit zur individuellen Selbstregulierung gegeben werden und Eigenverantwortlichkeit gefördert werden. Ganz nach dem Motto „begrenzen – begleiten – loslassen“. Dabei helfe laut Sabine Ostertag auch die räumliche Trennung, also die Handygarage, aber auch handyfreie Räume und bildschirmfreie Aktivitäten.
Wie wichtig das Thema für alle Beteiligten ist, zeigte sich an der vollen Peterskirche und den vielen konzentrierten Zuhörern sowie dem regen Austausch nach der Veranstaltung. Es wurde mit dem Vortrag auch wieder mehr Bewusstsein dafür geschaffen, dass die Vorteile einer weitgehend handyfreien Schule die Nachteile überwiegen und verstärkte Konzentration auf das Lernen – um das es in der Schule zentral gehen sollte – ermöglicht. Auch die sozialen Kompetenzen würden steigen, es gäbe vermutlich viel mehr zu erzählen, wenn ablenkende Bildschirme fehlten.