Wenn man drei Jahre probt
Theater-AG kann endlich Kleists Amphitryon vorstellen.
Eigentlich ist die Handlung von Kleists Amphitryon an sich ja schon verwirrend: Amphitryon, der König von Theben, ist mit seinem Diener Sosias in einem Lager außerhalb von Theben. Gott Zeus nutzt Amphitryons Abwesenheit, um mit dessen Frau Alkmene eine Nacht zu verbringen. Doch hat er sich vorher in Amphitryon verwandelt, so dass Alkmene von einer verfrühten Heimkehr ihres Mannes ausgeht. Zeus‘ Begleiter Merkur versucht wenig erfolgreich, sich der Frau des Sosias zu nähern. Als nun die beiden wirklich aus dem Lager heimkehren, erzählen die Frauen arglos von der vergangenen Nacht und die Verwirrung beginnt: Hätte nicht die Ehefrau erkennen müssen, dass es sich in der vergangenen Nacht nicht um ihren Mann gehandelt hatte? War es denn ein anderer, der in ihrem Bette lag, und ist der, der nun vor ihr steht, etwa ein Betrüger?
Nicht anders geht es Sosias mit seiner Frau Chairis. Doch bald wissen auch die Rückkehrer nicht mehr, wer sie wirklich sind.
Drei Jahre hat die Theater- AG an diesem Stück geprobt. Immer wieder mit neuen Corona-Verwirrungen. Anfänglich saß jeder Schauspieler in seinem Zimmer zu Hause, im Lockdown, bei Online-Unterricht. An eine Live-Aufführung war nicht zu denken. Also entstand die Idee zum Film. Erste Szenen hat jeder für sich in seinem Kämmerlein gedreht. Dann endlich die Rückkehr in die Schule, aber nur jeweils innerhalb einer Kohorte und nur draußen!
So wurden Alkmene und Amphitryon zuerst von Schülerinnen aus Klasse 12 dargestellt, in der nächsten Szene wurden sie von Unterstufenschülern gespielt. Da man schon mal mit dem Tauschen angefangen hatte, spielte bald auch noch Alkmene den Amphitryon und umgekehrt. Wie konnte man sich in solch einem Wirrwarr noch zurechtfinden? Doch sehr schnell hatten die Zuschauer verstanden, dass die Schauspieler ihre (beschrifteten!) T-Shirts tauschten. Da waren nun auch Jupiter und Merkur, die beiden Bösewichte, die Tunichtgute, die Verführer. Selbst in den Momenten tiefster innerer Verwirrung der Menschen, blieben die Götter immer gut zu erkennen: Zeus mit einem stilisierten Blitz auf dem Rücken und Merkur mit den berühmten Flügelchen auf der Kappe. Was hatte Zeus da aus reinem Drall nur angestellt? Alle Menschen waren über ihre eigene Identität verwirrt und Amphitryon musste für sich klären, wie er mit dem vermeintlichen Betrug seiner Frau umgehen sollte.
Viele Szenen waren in den letzten drei Jahren gefilmt worden, so manch ein Schauspieler, der schon lange zur Truppe des FAGs gehörte, hat bereits die Schule und Vaihingen nach dem Abitur verlassen. Da war die Wiedersehensfreude groß, als einige im Publikum auftauchten!
Zurzeit hat die Theater-AG nur acht junge Mitglieder. Wie sollte man in den letzten Corona-Jahren auch werben? Sie alle erweiterten den Film mit ihren Live-Auftritten. Aber nicht nur Amphitryon und Alkmene waren verwirrt, auch wir Zuschauer waren – und sind es: durch Corona, durch Fake-News und durch Hetze in den Medien. Wer bin ich? Wer war ich? Wer bin ich, wenn man mir versucht, die Würde zu nehmen? So konnte uns zum Schluss nicht nur Kleist mit seiner feinen Sprache überzeugen, sondern auch die Theater-AG mit ihrer aufwendigen Corona-Produktion und ihrer gelungenen Aktualisierung. Nicht verwirrt blieben in den ganzen drei Jahren Frau Weber und Frau Wolf, die die Truppe an einem roten Faden durch das Labyrinth der Herausforderungen führten.
Danke für diesen schönen Abend!